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CTH 51.I

Citatio: G. Wilhelm (ed.), hethiter.net/: CTH 51.I (INTR 2016-01-10)

Der Vertrag Šuppiluliumas I. von Ḫatti mit Šattiwazza von Mittani (CTH 51.I)

Textübersicht

Siglen der Texte A-C nach Laroche, CTH. Laroches Exemplar D ist mit Beckman 1996: 173, Nr. 12, Exemplar A zugeordnet. Beckmans Exemplar D (Bo 6535 = KUB 40.43) bleibt als nicht sicher zugehörig unberücksichtigt (s. Editionsgeschichte).

Textüberlieferung

A

A1

KBo 1.1

Bo 55

A2

KBo 64.1

Bo 69/299

B

KBo 1.2

VAT 13024

C

C1

KUB 3.1a

Bo 3831

C2

KBo 28.114

1207/u

C3

KUB 3.1b

Bo 3357

C4

KBo 28.111

1273/z

C5

KBo 28.112

Bo 69/81

C6

KUB 3.1c

Bo 4753

C7

KUB 3.1d

Bo 4013

C8

ABoT 2.1

AnAr 12194

C9

KBo 50.27

243/w

Literatur

Winckler 1907, 30-39 – E.F. Weidner 1923, 2-37 – N. B. Jankowska 1982 – G. Wilhelm 1982, 52-54 – A. Harrak 1987, 43-46 – G. Beckman 1996, 38-44 – T. Bryce 1998, 199-201 – H. Klengel 1999, 164-165 – J. Freu 2003, 137-173 – A. Altman 2004, 264-323 – G. Wilhelm 2005, 113-121 – J. Hazenbos 2006 – G. Wilhelm 2009 – R. Akdoğan 2010, 1 – R. Akdoğan 2011, 1 – G. Stivala 2014 – E. Devecchi 2015, 242-253.

Editionsgeschichte

In seinem Bericht über die Textfunde in Boğazköy während der Grabungen 1906 und 1907 liefert H. Winckler 1907, 30-39 (s. auch 17) eine erste Übersicht über den Inhalt des Vertrages Šuppiluliumas I. von Ḫatti mit Šattiwazza von Mittani und bietet eine Übersetzung der historischen Einleitung. Daraus wird deutlich, daß es sich um das Exemplar A handelt. S. Alaura 2004, 141, zufolge ist einem Brief Wincklers an Bruno Güterbock vom 8.6.1907 zu entnehmen, dass die Tafel aus der Grabung am Großen Tempel stammt.

Ende 1916 wurden die Exemplare A (Bo 55) und B (VAT 13024) in Autographie als KBo 1.1 und KBo 1.2 veröffentlicht. Die Autographie der Tafel A war von H.H. Figulla im Kais. Ottomanischen Museum in Konstantinopel entstanden, wo sich die Tafel noch heute befindet. Exemplar B hatte E.F. Weidner nach dem in Berlin befindlichen Original autographiert. Für Expl. B fehlt eine Fundortangabe; dies ist umso bedauerlicher, als es von einem Schreiber geschrieben ist, der die Schrift der mittanischen, nicht der hethitischen Kanzlei verwendet.

1922 legte Weidner auch die Autographien von vier Fragmenten eines weiteren Exemplars (C) als KUB 3.1a-d (C1, C3, C6, C7) vor.

Diese Textzeugen sind die Grundlage für die Transliteration und Übersetzung von E.F. Weidner 1923, 2-37, die bis zu der hier gebotenen Neubearbeitung die einzige umfassende Bearbeitung des Textes geblieben ist.

Eine Erweiterung des Textbestandes erbrachten mit drei weiteren Stücken des Exemplars C 1962, 1967 und 1969 die Nachgrabungen im Grabungsschutt der Winckler-Makridi-Grabung (C2, C4, C5). Eines davon, C2, konnte E. Laroche nach einer Mitteilung von H. Otten bereits 1971 in CTH nennen. Alle drei wurden von H. Kümmel 1985 als KBo 28.111-114 publiziert. Damit war auch der Nachweis verbunden, daß Exemplar C aus den Ostmagazinen des Großen Tempels stammt. Die Zugehörigkeit des Fragments 535/u, das Kümmel als KBo 28.113 publizierte und dessen Text er in der Lücke zwischen Vs. und Rs. des Exemplars A plazieren wollte, ist wegen der Erwähnung von Ḫanigalbat Z. 12' zweifelhaft und wird hier nicht berücksichtigt. O. Soysal identifizierte ein weiteres Fragment aus dem Anadolu Medeniyetleri Müzesi, Ankara, als zum Šattiwazza-Vertrag gehörig, welches von R. Akdoğan dem Exemplar C zugewiesen und in Autographie (R. Akdoğan 2011, Nr. 1) und Umschrift (R. Akdoğan 2010, Nr. 1) vorgelegt wurde (hier C8). Auf F. Fuscagni geht der direkte Anschluss von C9 an C3 Rs. zurück. G. Stivala 2014 entdeckte die Zugehörigkeit von Bo 69/299 (=A2) zu dem Exemplar A. Damit ist die Herkunft dieser Tafel aus den Ostmagazinen des Großen Tempels bestätigt.

Eine Übersetzung ins Englische von Rs. 35'-75' legte A. Goetze 1969, eine Übersetzung des ganzen Textes G. Beckman 1996, 38-44 und eine Übersetzung von Vs. 1-58 J. Hazenbos 2006 vor. Eine Übersetzung ins Deutsche bietet G. Wilhelm 2005, 113-121, eine Übersetzung ins Italienische E. Devecchi 2015, 242-253.

Eine eingehende Diskussion mit Verweis auf ältere Literatur liefert A. Altman 2004, 264-323.

Historischer Hintergrund

Šattiwazza1, der Vertragspartner des hethitischen Großkönigs, war ein Sohn des Königs Tušratta von Mittani. Das Großreich der Könige von Mittani war wahrscheinlich schon im 17. oder 16. Jh. v.Chr. in Obermesopotamien entstanden und hatte seit dem ausgehenden 16. Jh. stark expandieren können. Daraus ergab sich ein Konflikt mit Ägypten, das unter den ersten Königen der 18. Dynastie eine Eroberungspolitik mit der Hauptrichtung Syrien betrieb. Trotz der Feldzüge Thutmosis' III., der in der Mitte des 15. Jhs. bis zum Euphrat vordringen konnte, erreichte Mittani in der zweiten Hälfte des 15. Jhs. den Höhepunkt seiner Macht, die sich vom Zagros im Osten - unter Einschluß Assyriens - bis zum Mittelmeer erstreckte. Kurz nach 1400 kam es zwischen Mittani und Ägypten zu einem dauerhaften Interessenausgleich und der Begründung eines Bündnisses, das durch die Heirat der Pharaonen mit mittanischen Prinzessinnen untermauert wurde.

Um 1370 begann die Erosion der Macht Mittanis. Zunächst kam es nach einem Königsmord zu inneren Auseinandersetzungen, die dazu führten, daß ein Zweig der Familie unter dem Prätendenten Artatama II. das Land verließ, wahrscheinlich Zuflucht bei dem nördlichen Nachbarn Alše suchte und sich später auch mit den Interessen des wiedererstarkenden Assyrien verband. In Mittani selbst konnte sich einige Jahre später Tušratta, der noch als junger Mann von dem Königsmörder auf den traditionsreichen Thron der alten, auf indoarische Traditionen zurückgehenden Dynastie gesetzt worden war, von seinem politischen Vormund befreien und die zwischenzeitlich abgerissenen guten Beziehungen mit Ägypten wieder aufnehmen. Inzwischen war Mittani aber mit dem Wiedererstarken des Hethiterreiches im Nordwesten und Assyriens im Osten in eine Zweifrontenbedrohung geraten, der es schließlich zum Opfer fiel, als der hethitische König Šuppiluliuma I. in Mittani eindrang und trotz des Scheiterns seines Versuches, das obermesopotamische Kernland Mittanis anzugreifen, die von Mittani abhängigen Kleinstaaten Nordsyriens zwischen Euphrat und Mittelmeer eroberte. Šuppiluliuma hatte zuvor ein Bündnis mit dem mittanischen Prätendenten Artatama abgeschlossen, der seinerseits vor allem auf die Unterstützung Assyriens baute. Als in der Folgezeit Tušratta von einem seiner Söhne ermordet wurde und seine Hauptstadt, Waššukkanni, von den Assyrern und ihrem mittanischen Protégé erobert wurde, nutzte Šuppiluliuma eine günstige Gelegenheit, um seine eigenen Ansprüche auf das Zentrum Mittanis zu verwirklichen. Ein anderer Sohn Tušrattas, Šattiwazza, hatte sich ihm hilfeflehend genähert, und Šuppiluliuma akzeptierte ihn als seinen Kandidaten für den mittanischen Thron. Er gab ihm eine Tochter zur Ehe und beauftragte einen seiner Söhne, Pijaššili, der inzwischen König des von Šuppiluliuma eroberten Kargamiš geworden war, die Hauptstadt von Mittani zu erobern und damit Šattiwazza den Weg zum Thron zu ebnen. In diesem Zusammenhang steht der hier bearbeitete Vertrag. Da Šattiwazza hier konsequent nur als "Königssohn", nicht als "König" bezeichnet wird, wurde er noch vor der Inthronisation abgeschlossen.

Die historische Einleitung ist bemüht, Šuppiluliumas Eroberungspolitik auf ein Verschulden seines mittanischen Gegners zurückzuführen; so wird der Einmarsch in Mittani als berechtigte Reaktion auf ein angebliches Fehlverhalten Tušrattas interpretiert, das anscheinend nur darin bestand, daß der mittanische König gegen ein Bündnis Šuppiluliumas mit einem mittanischen Thronprätendenten brieflich protestiert hatte.

Der Vertrag sollte, wie im Text selbst verfügt, in je einem Exemplar im Tempel der Sonnengöttin von Arinna - sicherlich in deren Tempel in Ḫattuša - und in einem Tempel des Wettergottes Teššob von Kaḫat in einer nicht näher bezeichneten Stadt in Mittani deponiert werden. Diese Originaltafeln, die wahrscheinlich aus Metall waren, sind nicht erhalten.

1

Konventionell Šattiwaza, in älterer Literatur auch fälschlich Mattiwaza und Kurtiwaza. Das Vertragsexemplar in mittanischer Keilschrift schreibt konsequent -wa-az-za, was als Darstellung von /ss/ zu gelten hat (die phonetische Realisierung bleibt dabei unklar); vgl. auch den etwas jüngeren Königsnamen in mittelassyrischer Umschrift Ú-a-sa-šá-ta (A.K. Grayson, RIMA 1, S. 136, Z. 15).


Editio ultima: 2016-01-10






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